1) Auf einem Boot leben
Eine der mit Abstand größten Erfahrungen, die ich während meiner Zeit in Brasilien gemacht habe, war das Leben auf dem Boot. Angefangen in Belem (Brasilien), wo der Amazonas ins Meer fließt und beendet in Yurimaguas (Peru), wo der Fluss „Rio Huallaga“ fließt, welcher später zum „Rio Maron“ und dieser dann zum Amazonas wird. Bedeutet also kurz gesagt: Ich habe den GANZEN Amazonas und noch mehr flussaufwärts per Schiff und Boot bereist. Allein der Amazonas hat eine Länge von 6.400 Kilometern. Das braucht also seine Zeit, um alles zu beschiffen. Um genau zu sein, hat mich die Aktion knapp 3 Wochen gekostet. Tag und Nacht auf dem Schiff. Es war jedoch nicht nur ein Schiff, sondern mehrere und zwischen den einzelnen Touren, habe ich auch in den Städten im Amazonas gelebt. Meine genaue Bootsreise hat so ausgesehen:
Boot 1: 20.-26.05.22 von Belem (Brasilien) nach Manaus (Brasilien),
Boot 2: 07.-13.07.22 von Manaus (Brasilien) nach Leticia (Kolumbien),
Boot 3: 15.-16.07.22 von Leticia (Kolumbien) nach Iquitos (Peru),
Boot 4: 19.-22.07.22 von Iquitos (Peru) nach Lagunas (Peru),
Boot 5: 23.07.22 von Lagunas (Peru) nach Yurimaguas (Peru).
Die Boote auf denen ich mehrere Tage verbracht habe, waren langsame Boote. Langsam heißt hier, dass sie ca. 15Km/h „schnell“ sind. Man schläft in Hängematten oder mietet sich eine Kabine. Ich habe beides ausprobiert und es war beides eine gute Erfahrung. Die Kabinen sind ohne Fenster und sehr einfach. Da ist einfach ein Bett drin und es riecht unglaublich feucht und schimmelt. Dafür hat man aber seine eigene Toilette. Will man Geld sparen und schläft in der Hängematte, ist man an der frischen Luft (die Boote sind offen), muss sich aber dafür die Toiletten mit den anderen Passagieren teilen. Die Toilettenräume (ich möchte es nicht Badezimmer nennen, denn es ist keines) sind sehr klein. Wenn man duschen möchte, kann man einen Hahn in der Decke aufdrehen und das Wasser, welches sonst zum Abspülen genutzt wird, wird dann zu einer „Dusche“. Klar, dass es sich hierbei um Flusswasser handelt. Ein Tipp: Besser nicht duschen, wenn das Schiff im Hafen liegt. Es dauert Tage, bis das Öl wieder aus den Haaren raus gewaschen ist. Und was macht man so die ganze Woche lang auf einem Boot, fragst Du Dich jetzt vielleicht. Man existiert. Ich habe es genossen keinen Handyempfang zu haben und einfach im Augenblick zu leben. Keine Verpflichtungen. Ich habe mit meinen Freunden geredet oder neue Leute auf dem Boot kennen gelernt. Karten gespielt und Musik oder Podcast gehört, die ich vorher runter geladen hatte. Ein Boot mit vielen Passagieren ist besser, als eines mit wenigen. In Brasilien hatten die Boote immer einen Kiosk, an dem 15 Stunden am Tag Brasilianischer Funk lief und man Bier kaufen konnte. Die romantische Vorstellung, dass wir den Regenwald hören, hatte sich also schnell in Luft aufgelöst. Allein, als die Motoren anfingen zu laufen. Die Zeit vergeht schnell und langsam gleichzeitig. Sie verliert an Bedeutung. Das Frühstück ist um 06:00 Uhr und viel zu früh für uns? Dann lass uns doch alle unsere Uhren 3 Stunden vorstellen und das Frühstück ist um 09:00 Uhr. Guter Plan für das Boot. Die Konsequenz war ein Jetlag bei der Ankunft. In manchen Booten gibt es Essen (Reis, Bohnen, Fleisch) in anderen muss man sich selber versorgen (Knäckebrot mit Thunfisch aus der Dose). Das geht für eine Woche. Ich will nicht sagen, dass es einfach war. Besonders am Ende war mir dauerschlecht und es war super anstrengend aber ein Abenteuer, was sich gelohnt hat und eine tolle Geschichte die ich erzählen kann.
2) und in einer Hängematte schlafen
Nie zuvor habe ich in einer Hängematte geschlafen, nie zuvor auf einem Boot. Schnell habe ich herausgefunden, dass ich die Hängematte so straff wie möglich spannen muss und mich dann quer reinlegen muss, damit ich möglichst grade schlafe. Dazu das laute Brummen der Motoren, rechts weint ein Baby, links spielt jemand Musik. Achso und die ganze Nacht brennt Licht. Hell, wie eine Flutlichtanlage. Es ist laut und ungemütlich aber ich bin erstaunt, was ich alles gelernt habe. An wie vielen Orten ich schlafen kann.
3) kein Portugiesisch
Portugiesisch liegt mir nicht. Zuerst dachte ich, ich bin nur kurz in Brasilien und da alle anderen Länder in Südamerika spanisch sprechen, lohnt es sich für mich nicht, portugiesisch zu lernen. Am Ende war ich doch drei Monate dort und habe es trotzdem nicht gelernt, denn die Sprache gefällt mir nicht.
4) der Regenwald ist in der Regenzeit voll mit Wasser
Als ich im Amazonas Regenwald war, war die Regenzeit gerade zu Ende. Die perfekte Zeit also, um Tiere vom Fluss zu aus zu beobachten. Wenn wir eine Exkursion gemacht haben, um zum Beispiel Affen oder Schlangen zu suchen, stiegen wir ein kleines Kanu und fuhren damit los. Laufen ist nicht so einfach denn nach der Regenzeit kann es schon mal sein, dass der Wasserspiegel um bis zu 9 Meter ansteigt. Ich habe ja geahnt, dass der Regenwald nass ist aber mit so viel Wasser habe ich nicht gerechnet. Natürlich ist nicht der ganze Regenwald überflutet, sondern nur die Stellen, die am Wasser liegen. Die Menschen sind daran gewöhnt und wer am Wasser wohnt, der baut sein Haus auf Stelzen. Funfact: Wenn Faultiere sich bedroht fühlen, weil Menschen mit dem Kanu durch den Amazonas fahren, oder andere Bedrohungen kommen, lassen sie sich einfach ins Wasser fallen. Danach klettern sie wieder auf den Baum.
5) Piranhas sind nicht so gefährlich
Ich war zum Glück nicht die einzige Person, die Angst hatte, ihre Hand ins Wasser zu halten, wenn Piranhas in der Nähe sind. Als wir Piranhas fischen waren (man spießt Hähnchenfleisch an der Angelrute auf, weil die Fische Fleisch lieben), sagte unser Guide, nachdem wir eine Weile gefischt hatten, „wer hat Lust zu schwimmen?“ Wir schauten ihn alle erstaunt an. Irgendwie wird uns in Europa das Bild vermittelt, dass wenn man einen Finger ins Wasser hält, dieser sofort von den Piranhas aufgefressen wird. Ist aber nicht so. Eigentlich sind Piranhas gar nicht sooo gefährlich vor allem wenn man nicht blutet, schwimmen sie meistens einfach weg. Trotzdem habe ich mich nicht getraut zu schwimmen.
6) Ameisen sind lecker
Ich liebe es, neue Sachen zu probieren und eine Spezialität des Regenwaldes in Brasilien sind Ameisen. Sehr große Ameisen. Sie werden als Beilage zu Fisch serviert oder man isst sie als Vorspeise. Obwohl ich nicht sagen kann, dass man davon satt wird. Dennoch habe ich sie probiert, und war erstaunt über den Geschmack. Ameisen schmecken nach Zitronengras. Super lecker. Gerne mehr davon.
7) Meine Arbeit in Deutschland ist nicht so hart
Ich habe mich immer beschwert, dass ich 8 Stunden am Tag arbeiten muss und hatte das Gefühl, der ganze Tag geht für die Arbeit drauf. Hier in Brasilien habe ich aber gesehen, dass 8 Stunden überhaupt nicht viele sind. Manche Leute arbeiten hier nonstop d.h. sie wohnen auf der Arbeit und selbst wenn sie nicht auf der Arbeit wohnen, gibt es so viele Jobs, in denen sie um 4:00 Uhr morgens anfangen und erst um 11:00 Uhr abends nach Hause gehen. Und das für zehn Euro am Tag. Oder weniger. Ich werde mich nicht mehr über meinen gut bezahlten Job beschweren.
8) keine Gefühle zeigen
Ich habe leider auch in Brasilien die Erfahrung machen müssen, dass es Menschen gibt, die mit Gefühlen spielen. Ich habe geglaubt jemanden vertrauen zu können. Die Person hat mein Vertrauen missbraucht und mich dann absichtlich verletzt, weil sie wusste, was mir wehtut. Das passiert mir so schnell nicht noch mal. Ich habe gelernt, meine Gefühle für mich zu behalten.
9) In einer Gruppe reisen und Abschied nehmen
Als Alleinreisende bin ich losgezogen und in Brasilien habe ich die beste Reisegruppe der Welt gefunden. Sonia, Marie, Leda, Fernando und Lyzz. Mal waren wir mehr, mal waren wir weniger Leute aber irgendwie waren wir trotzdem die ganze Zeit eine Gruppe. Und das über acht Wochen. Ich hätte nicht gedacht, dass es so gut klappt, gerade weil wir hauptsächlich Frauen waren (fünf Frauen, ein Mann) und man doch dadurch, dass man sein Schlafzimmer, Badezimmer und das Leben teilt, meistens 24 Stunden aufeinander hockt. Trotzdem gab es keine einzige Situation, in der wir uns uneinig waren oder gestritten haben. Als die Gruppe sich nach und nach auflöste waren wir alle sehr traurig. Abschied nehmen ist leider ein sehr großer Teil einer solchen Reise. Ich hoffe, wir treffen uns noch einmal wieder und können diese Erfahrung wiederholen. Nach acht Wochen in einer Gruppe war es für mich super ungewohnt wieder alleine weiter zu reisen. Ich musste mich nun selber darum kümmern, was ich esse und wo ich schlafe. Das habe ich einige Male fast vergessen zu organisieren.
10) Sicherheit und Überfälle
In Brasilien ist die Kriminalität leider sehr hoch. Gerade in Rio de Janeiro und São Paulo sind viele Überfälle ein ganz normaler Teil der Tagesordnung. Auch ich habe mehrere Überfälle mitbekommen, mir ist aber zum Glück nichts geklaut worden. Ich habe gelernt, auf meine Sachen aufzupassen, und wo ich sie gut verstecken kann. Am besten ist es, nur das mit auf die Straße zu nehmen, von dem man das Risiko eingehen kann, dass es wegkommt, denn sollte man mal überfallen werden, darf man sich nicht wehren. Am Strand zu sitzen und die ganze Zeit sein Rucksack fest zu halten, damit er nicht von einem vorbei rennenden Mensch mitgenommen wird, es aber super anstrengend und überhaupt nicht angenehm.
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